Mittwoch

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Heute hat Ludwig Fels Geburtstag
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Ludwig Fels

Es steht nichts mehr zwischen den Zeilen
kein Platz zwischen den Zeilen
das Papier vollgeschrieben
mit dem Nichts von Heute.
Immer zu wenig
Blut in den Adern, immer
zu kalt.
…..

So beginnt ein Gedicht vom heutigen Geburtstagskind und ich finde: er hat recht.
Heute morgen minus zehn Grad auf der Alb und die Sterne funkeln dazu.
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Unser „Ulmer“ ist fertig. In der Papierform verteilen wir ihn schon seit einer Woche im Laden, digital gibt es ihn jetzt auch hier unter dem ReiterchenUlmer zu lesen. Wir haben versucht, aus der riesigen Flut von Neuerscheinungen, eine kleine, spezielle Auswahl zu treffen.
Sarah Käsmayr hat ihn gestaltet und das Titelblat als eine Homage an ….. angelegt.
Wer weiß für wen, dem winkt ein Büchergutschein.
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Passend zur Jahreszeit, zum Wetter, stelle ich Ihnen heute eine Taschenbuch-Neuerscheinung vor.
Ehemals im Schweizerischen Kein&Aber Verlag erschienen, gibt es den Roman
jetzt bei dtv.
Eine winterliche Manhattan Love Story – die perfekte Lektüre für die Weihnachtszeit.

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André Aciman: „Acht helle Nächte
Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann
dtv € 11,90

André Aciman, geboren 1951 in Alexandria, studierte Komparatistik in Harvard. Er ist Romancier, Essayist und Dozent für Vergleichende Literaturwissenschaft, zudem schreibt er für verschiedene New Yorker Zeitungen. Aciman gehört zu den führenden Proust-Experten. Auf Deutsch liegen seine autobiografischen Bücher „Damals in Alexandria“ und „Hauptstädte der Erinnerung“ sowie der Roman „Ruf mich bei deinem Namen“ vor. Aciman lebt mit seiner Familie in New York.
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Mit seinem Buch über Alexandria ist er hier bekannt geworden und die Zeitungen haben sich fast überschlagen. „Ruf mich bei deinem Namen“ gibt es auch als Taschenbuch bei dtv. Und nun liegt dieser Manhattan-Winter-Weihnachts-Liebesroman bei uns auf dem Neuerscheinungstisch. Gut, ich gebe es zu, mich hat das Titelbild gepackt. Wie Sie oben gelesen haben, ist Aciman ein Proust-Verehrer und Experte; das zeigt sich auch hier. Sie brauchen schon etwas Geduld zu Beginns des Romanes. Es sind acht Nächte, die er hier beschreibt. Und das sehr detailverliebt. Gerade das erste Kapitel verleitet vielleicht, das Buch aus der Hand zu legen. Er landet durch eine Einladung auf einer Weihnachtsparty in der Upper East Side. Dort tritt eine junge Frau auf ihn zu, streckt im die Hand entgegen und sagt: „Ich bin Clara“. Dieses „Ich bin Clara“ zieht sich nun über Seiten hinweg durch das ganze erste Kapitel. Dieses „Ich bin Clara“ wird zum Leitmotiv für den ganzen Roman. Er könnte auch so heissen. Aciman beschreibt dieses Szenerie sehr genau, fast meint man in einem Kinofilm zu sehen. Einzelne Handbewegungen füllen Zeilen und werden von verschiedenen Seiten betrachtet. Allein, wie die beiden auf dem Balkon stehen und auf den verschneiten Riverside Drive hinterschauen, wie sie raucht und ihre Bloody Mary in den Schnee des Geländers drückt füllt Seiten. Die beiden reden und reden und reden und er ist ab dem ersten Moment von ihr fasziniert. Nein, eigentlich ist er total verknallt in sie. Er kennt sie nicht, weiß nichts von ihr, wird an diesem Abend (wie auch an den darauf folgenden acht Nächten) immer wieder vor den Kopf gestoßen. Und doch kann er nicht von ihr lassen. Eigentlich ein Woody Allen Film. Diese Dialoge, das dauernde Hinundher und das zaudernde Verhalten von ihm, wären doch der ideale Stoff für den Regisseur aus Manhattan. Die beiden gehen abends ins Kino, da gerade eine Eric Rohmer-Festival stattfindet. Sehr passend, da in diesen Filmen auch nicht mehr passiert, als dass die Verliebten miteinander reden und nie richtig zu Potte kommen. Danach gehen sie in „ihre“ die Bar, und reden und reden. Sie ist sehr direkt, sagt, was sie denkt. Macht immer wieder Dinge, die ihn aus dem Konzept bringen. Er hingegen, wartet, sitzt im Park unter ihrer Wohnung und träumt sich in eine Beziehung mit ihr. Sie machen Ausflüge mit dem Auto, sie besuchen sich gegenseitig in ihren Wohnungen; ein spontaner Kuss von ihm, bringt sie jedoch dazu, ihn brüskt wegzuschieben. Er sitzt daheim, traut sich nicht, die Wohnung zu verlassen, da er auf einen Anruf von ihr erwartet, der nicht kommt. Er lässt sein Handy aus, weil er nicht sehen will, dass keine SMSe von ihr ankommen. Es stellt sich jedoch heraus, dass sie mehrfach versucht hat, ihn anzurufen.
Sie merken schon: Alles nicht so einfach. Wenn Sie durch das erste Kapitel durch sind und sich an den angenehm fließenden Stil gewohnt haben. Wenn Sie sich darauf einstellen, dass nicht allzuviel passiert, wenn Sie es genießen können, den Dialogen zu lauschen, wenn sich gerne verwundern lassen, wie die beiden sich verhalten, dann sind Sie hier richtig aufgehoben. Es ist tiefster Winter, es sind 500 Seiten … genau das Richtige für diese kalten dunklen Abende, die hier zu acht hellen Nächten werden. Es ist fast schon eine Proust’sche Suche nach der dahinrasenden Zeit, die hier fast still zustehen scheint. Und einfach einfach ein gelungenes Buch zum Thema: Liebe.

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Alice Munro im Gespräch mit Diana Athill auf dem International Festival of Authors 2009.
Eine tolle Frau und eine ausgezeichnete Autorin.


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Bilder aus der Jastram-Welt gibt es hier auf jastram.tumblr.com

Dienstag

Heute haben
Georg Forster * 1754
Franz Jung * 1888
Eugène Ionesco * 1909
Geburtstag
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Franz Jung: „Das Trottelbuch“
(Leseprobe aus: Das Trottelbuch, 2013, Edition Nautilus).

Um einen Tisch des Café du Dôme saßen mehrere Herren. Eine Frau schritt draußen am Fenster vorbei. Sie hatten sie alle gekannt, und einige kannten sie noch. Einer las vor: Zwei junge Burschen stolpern aus einer Vorstadtkneipe in die Nacht. Blutjunge Burschen und sehr betrunken. Sie schlagen das Pflaster mit ihren Stöcken, sie johlen, krümmen sich vor Lachen, und sie schleppen die schwer gewordenen Füße hinter sich her, dass sie von fern wie hinkende Greise erscheinen. Eine Katze huscht über den Weg.
Die Betrunkenen bleiben stehen, die Lässigkeit ist aus ihren Gliedern gewichen, ein Rausch ballt sich zusammen. Sie jagen dem Tier nach, verstellen den Weg, sie schlagen mit ihren Stöcken – als ob das Tier schuld wäre an ihrer Jugend und ihrer Betrunkenheit, so schlagen sie.
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Finn-Ole Heinrich:Frerk, du Zwerg!
Illustrationen von Rán Flygenring
dtv € 8,95
Deutscher Jugendliteraturpreis 2012.
Jetzt als Taschenbuch.

Jargs Blog hat mich drauf gebracht, dieses tolle Buch auch hier vorzustellen. Sein Grund ist allerdings die Hör-CD von Finn-Ole Heinrich selbst gesprochen. Und diese Aufnahme lobt er sehr.
Nachdem wir sein letztes Buch (Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Mein kaputtes Königreich“) auch schon auf unserem Blog vorgestellt haben, jetzt also die Taschenbuch-Ausgabe des prämierten „Frerk, du Zwerg!„.
Frerk hat es nicht leicht. In der Schule wird er gehänselt. Den Spruch kennen Sie jetzt ja schon: „Frerk, du Zwerg“, obwohl er doch nur der Zweitkleinste in der Klasse ist. Es reimt sich halt so schön. Und eigentlich hätte Frerk gerne einen Hund. Aber keinen kleinen, schnuckeligen, sondern einen großen, einen Wolfshund, der brüllen und heulen kann. Der ihm treu ergeben ist und der sooo groß sein soll, dass Frerk gerne so klein wie ein Zwerg neben im aussähe. „Ein wilder Hund riecht nämlich wie Waldboden, Sauerkirschen und Baumrinde, wie Abenteuer und Apfelblüten und Heu, wie Erde und Salzwasser, das auf der Haut getrocknet ist.“ Aber: Hund is nich, da Frerks Mutter allergisch ist. Allergisch gegen ganz vieles und wennn es ihr zuviel wird, dann bekommt sie Migräne und Migräne ist wie Kopfweh, nur viel schlimmer und das kann sich niemand vorstellen, der sie nicht selbst hat. Sprich: Keine Chance für Frerk einen Hund zu bekommen. Zusätzlich wird Frerk auch noch sehr gesund ernährt und fragt sich jeden Morgen beim Müsliessen, warum seine Mutter das Obst so klein schnippelt, wo er doch eh alles in der Milch schwimmend bekommt und auch locker größere Brocken wegessen könnte. Sie merken schon, Frerk hat es nicht leicht. Dazu noch der große Junge, der ein paar Klassen über ihm ist und ihn ordentlich trietzt. So auch an diesem Tag. Er steckt Frerks Nase mit dem Spruch: „Friss Mist, du Wurst!“ ganz tief in den Sand. Frerk denkt, warum Mist und warum Wurst und merkt, dass der große Junge nicht alle Tassen im Schrank hat. Doch diesmal entdeckt Frerk ein kleines Ei im Sand. Größer als ein Hühnerei, aber deutlich kleiner als ein Straußenei. Irgendetwas scheint sich darin zu bewegen. Er nimmt es mit nach Hause, legt es in die Schublade seines Tisches. Aus dem Ei schlüpfen 5 Zwerge, die schnell wachsen und nur Blödsinn im Sinn haben. Sie werfen mit Spielzeug, sie schneiden Frerk die Haare ab und bringen ihm viele Wörter bei, die er daheim nicht sagen soll. Aber wie soll er seinen Eltern das mit den Zwergen erklären? Wer wird ihm glauben? Also: Er sagt gar nix, lässt die Zwerge toben und lernt nebenbei, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss. Nach ein paar Tagen sind die Zwerge plötzlich verschwunden. Sie haben ihm einen Brief hinterlassen. Zwergenklein, in Zwergenschrift.
Was darauf steht, sei nicht verraten.
Jedoch: Dieses Buch ist so frech, so witzig, so politisch unkorrekt, voller Wortwitz und Worterfindungen, dass es kaum zu glauben ist. Diesen wilden Text hat die Isländische Malerin Rán Flygenring genial umgesetzt und weiter entwickelt.
Ein klasse Vorlesebuch, ein tolles Buch zum Selberlesen ab acht Jahren.
Und wenn die Hör-CD wirklich so toll gelesen ist, wie Jarg schreibt, dann kann ich die ungehört empfehlen.
Erschienen bei der Hörcompanie für € 12,95

p.s. und aufgepasst. Die kleinen Körner im Müsli sehen zwar aus wie Körner, sind in echt aber Zwergenka… .

p.p.s Vielen Dank nochmals an Jarg.
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Montag

Nach einem blogfreien Sonntag, geht es jetzt in die letzte Novemberwoche.
Den nächsten Samstag haben wir dann bis 18 Uhr geöffnet.

Heute haben Georg Kaiser * 1878
Ba Jin * 1904
Geburtstag
und gestern hatte
Laurence Sterne seinen 300.Geburtstag.

Letzte Woche habe ich „den multiplen Roman“ von Thirwell vorgestellt, der eine Illustration aus Sternes Roman „Tristram Shandy“ auf dem Umschlag hat. Über diese Zeichnung und überhaupt über seinen zukunftsweisenden Roman geht es in diesem Buch. Und nun hat der Autor gleich so einen runden Geburtstag. Das Gleiche konnte ich bei von Arno Schmidt feststellen. Auf unserem Blog habe ich zwei Reclam-Bändchen von und über ihn und eine Anthologie in der S.Fischer Klassiker-Reihe besprochen. Zuvor schon einmal die „Tina“ in der Insel-Bücherei. Und jetzt wird mir das auch klar, warum es so weit gestreut Werke von Arno Schmidt gibt. Er hat am 18.1.2014 seinen 100.Geburtstag. Zu diesem Jahrestag erscheint dann auch „Zettel’s Traum“ in der von Dieter Forssmann gesetzten Version.
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An diesem Wochenende habe ich mein morgendliches Leseprojekt: „Wiedersehen mit Brideshead“ von Evelyn Waugh abgeschlossen. Nicht regelkonform, jeden Tag zehn Seiten. Ich habe wohl drei, vier Tage übersprungen und die alle auf einen Satz gelesen. Nicht weil mich das Buch so gefesselt hat, sondern weil es mich langweilte und ich es gerne zur Seite legen wollte. Gut geschrieben ist es, immer wieder scheint Waughs Ironie durch und dann ist es halt ein Spiegelbild der abstürzenden englischen Superreichen. Alles gut gemacht, aber es hat mich kalt gelassen, obwohl es in Großbritannien zu den ganzen großen Werken des 20.Jahrhunderts gehört.
Es war nicht meins.

Dafür habe ich in einem Rutsch das neue Jugendbuch von David Levithan: „Letztendlich sind wir dem Universum egal“ gelesen. Es erscheint Ende März 2014 im S.Fischer Verlag. Deshalb sollte es wohl noch nicht besprochen werden. Ich kann ja die amerikanische Orginalausgabe besprechen, die als „Every Day“ bei uns im Laden steht.
Ein Jugendlicher wacht jeden Tag in einem anderen gleichaltrigen Körper auf. Einmal als Junge, dann als Mädchen. Und das in allen Varianten. In jeglicher Hinsicht. Das an sich ist schon merkwürdig (für uns und den Jungen, der sich „A“ nennt). Kompliziert wird es aber, als er im Körper eines Kerls steckt, der seine Freundin mies behandelt. Nun dreht er den Spieß um und verbringt mit Rhiannon (dem Mädchen) einen schönen Tag am Meer. Dies hat nun Konsequenzen von allen Ebenen. Mehr mag ich nicht verraten. Nur soviel: Sie werden es in einem Rutsch lesen. Und die Jugendlichen sowieso.

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David Levithan:Every Day
Random House US € 10,99

David Levithan: „Letztendlich sind wir dem Universum egal“
S.Fischer Jugendbuch ca. € 16,99

„Ist es unmännlich zu sagen, dass dieses atemlose Buch mich zum Weinen gebracht hat? Ja? Na dann sag ich eben einfach, dass es großartig ist, und jetzt müsst ihr mich entschuldigen, mir ist was ins Auge gekommen.“,
schreibt Daniel Handler, der dieses Jahr im Hanser Verlag das ebenso großartige Jugendbuch: 43 Gründe, warum es aus ist veröffentlicht hat.
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Wenn Ihnen dieses flashmob-Video nicht die Tränen in die Augen treibt, dann weiß ich auch nicht.
Einfach herrlich, was eine kleine Geste bewirkt, wenn es auch von den Musikern organisiert ist. Die Zuschauer und das kleine Mädchen sind auf jeden Fall fasziniert.
Danke an Simon und Marianne, die mir das Filmchen geschickt haben.

http://www.amazingoasis.org/2013/11/best-coin-ever-spent.html

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt,
Alle Menschen werden Brüder,
wo dein sanfter Flügel weilt.