1.Dienstag im Monat = 1.Seite um 19 Uhr

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Heute haben
Gertrude Stein * 1874
Georg Trakl * 1914
Richard Yates * 1926
Andrzej Szczypiorski * 1928
Paul Auster * 1947
Henning Mankell * 1948
Sarah Kane * 1971
Geburtstag
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Auf unserem Büchertisch finden Sie den klugen Briefwechsel
zwischen Auster und Coetzee.

Und da Trakl heute Geburtstag hat, gibt es hier gleich etwas von ihm.

Georg Trakl
Im Winter

Der Acker leuchtet weiß und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten
Und langsam steigt der graue Mond.

Ein Wild verblutet sanft am Rain
Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.
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2

„Februar“
Herusgegeben von Christine Schmidjell und Evelyne Polt-Heinzl,
wie alle anderen Monatsgedichte in dieser Reihe.
Reclam Verlag € 5,00

Wieder sind es fast 70 Gedichte, die hier in das Februar-Heftchen aufgenommen worden sind und wieder ist kein Goethe dabei. Die beiden Damen halten an ihrem Prinzip fest. Gut so! Goethe findet sich in vielen anderen Anthologien und zu allen Gelegenheiten. So kommen wir auch mal ohne ihn aus.

Ringelnatz dichtet sich schon in den Karneval:

„Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
Berta, wir gehn zum Faschingsball,
Zu Karnevallerie Krawall,
Pot-Pickles, Mixed-Pourri und Drall.
Denn mancherlei im Leben
vielerlei!
Das man nicht sagt, läßt tanzen sich und gröhlen
Und köstlich ist ein unverbindlich Küssen.“

In der Anthologie hat es auch über Überschriften wie „Das wilde Treiben“, „Ballgeflüster“, „Frühlingserwartung“ und „Vorfrühling“. Wir bleiben jedoch noch bei den Wintergedichten, bei den Schneemassen vor den Häusern und so wie ich gestern Schneeschippen durfte. Wir bleiben somit bei den Rubriken „Immer noch Winter“ und „Stille Februartage“:

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Christian Friedrich Hebbel
Winter-Landschaft

Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche,
bis auf den letzten Hauch von Leben leer;
die muntern Pulse stocken längst, die Bäche,
es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr.

Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise,
erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab,
und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise,
so gräbt er, glaub‘ ich, sich hinein ins Grab.

Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend,
wirft einen letzten Blick auf’s öde Land,
doch, gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend,
trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand.

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Joseph von Eichendorff
Winternacht

Verschneit liegt rings die ganze Welt,
Ich hab nichts, was mich freuet,
Verlassen steht der Baum im Feld,
Hat längst sein Laub verstreuet.

Der Wind nur geht bei stiller Nacht
Und rüttelt an dem Baume,
Da rührt er seinen Wipfel sacht
Und redet wie im Traume.

Er träumt von künft’ger Frühlingszeit,
Von Grün und Quellenrauschen,
Wo er im neuen Blütenkleid
Zu Gottes Lob wird rauschen.

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Richard Dehmel
Winterwärme

Mit brennenden Lippen,
unter eisblauem Himmel,
durch den glitzernden Morgen hin,
in meinem Garten,
hauch ich, kalte Sonne, dir ein Lied.

Alle Bäume scheinen zu blühen;
von den reifrauhen Zweigen
streift dein Frühwind
schimmernde Flöckchen nieder,
gleichsam Frühlingsblendwerk;
habe Dank!

An meiner Dachkante hängt
Eiszapfen neben Zapfen,
starr,
die fangen zu schmelzen an,
Tropfen auf Tropfen blitzt,
jeder dem andern unvergleichlich,
mir ins Herz.

Mitte Februar ist dann wirklich Fasnet, Fasching, Karneval und vielleicht spitzeln auch schon die ersten Schneeglöckchen. Dann können wir uns dem zweiten Teil der Anthologie widmen.
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Fehlen dürfen natürlich auch nicht die wöchentlichen Gedichte von Werner Färber.

UNGEREIMTHEIT DER WOCHE
(aus meine UNGEREIMTHEITEN WOCHENKALENDER für Kinder – KW 06)
 

DAS FAULTIER

Das Faultier hängt faul im Baum,
unendlich lang ist seine Rast.
Es regt sich gar nicht oder kaum,
hängt bloß kopfüber von ’nem Ast.

„Was ist der Zweck des faulen Lebens,
wo liegt des Müßigganges Sinn?“,
fragt man das Faultier vergebens.
Es hängt bloß weiter vor sich hin.

UNGEREIMTHEIT DER WOCHE
(… von fies bis böse)
 
ABSEITS DER PISTE
 
Neuschnee hat’s heut‘ Nacht gegeben.
Der Skitourist findet das geil!
Pulvrig ist die Abfahrt neben
der Piste und er jauchzt: „Ski heil!“
 
Nach zwei, drei Schwüngen löst der Mann
jedoch ein fettes Schneebrett aus.
In kühner Schussfahrt rast er dann
bergabwärts fliehend gradeaus.
 
Voller Panik schießt ins Tal er,
die Lawine dicht im Nacken.
Im Gesicht wird mächtig fahl er,
weil sie könnte ihn ja packen.
 
Er rettet sich zum Gegenhang.
Mächtig zittern seine Glieder.
Da kommt die Pistenraup‘ entlang,
und planiert ihn einfach nieder.
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Dieser Spruch kommt leider einen Tag zu spät. Ihn hat mir eine Kundin zugerufen, als ich vor dem Buchladen am Schippen war:

Wenn es an Lichtmess stürmt und schneit,
dann ist das Frühjahr nicht mehr weit.

Na hoffentlich stimmt das auch, wenn ich die minus 17 Grad auf dem Termometer betrachte.

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