Mittwoch, 30.Mai

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Heute haben
Georg K.Glaser * 1910
Colm Toibin * 1955
Geburtstag
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Heute im Gedichtekalender:

Friedrich Gottlieb Klopstock
Ihr Schlummer

Sie schläft. O giess ihr, Schlummer, geflügeltes
Balsamisch Leben über ihr sanftes Herz!
Aus Edens ungetrübter Quelle
Schöpfe den lichten, krystallnen Tropfen!

Und lass ihn, wo der Wange die Röth‘ entfloh,
Dort duftig hinthaun! Und du, o bessere,
Der Tugend und der Liebe Ruhe,
Grazie deines Olymps, bedecke

Mit deinem Fittig Cidli. Wie schlummert sie,
Wie stille! Schweig, o leisere Saite selbst!
Es welket dir dein Lorbersprössling,
Wenn aus dem Schlummer du Cidli lispelst!
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Unser Buchtipp:

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Christoph Niemann:Wörter
Aus dem Amerikanischen von Kati Hertzsch
Diogenes Verlag € 22,00

Dass Christoph Niemann ein großer Meister in Wort und Bild ist, haben wir schon mehrfach festgestellt. Lange Jahre in Brooklyn lebend, wohnt der gebürtige Waiblinger in Berlin. Aber seine New Yorker Wurzeln sind nicht abgehackt. Im Moment hat er eine Ausstellung dort in einer Galerie. Sein Witz zieht sich durch all seine künstlerischen Arbeiten. Ob er mit Kaffeetassenränder experimentiert, oder mit Legos spielt, immer kommt etwas sehr Pfiffiges heraus. Nicht einmal vor Gummibären hat er Respekt.
In diesem kleinformatigen, aber dicken neuen Buch nimmt er sich jeweils zwei Wortpaare vor und interpretiert sie mit schnellen dicken, schwarzen Strichen. Nur – viele, zuletzt – geschafft, Rock – Rock. Sie fragen sich wahrscheinlich: Hä, was soll das? Aber wenn eine Dame im Rock auf der E-Gitarre fetzt, wird es schon klarer. Und wenn bei zuletzt nur noch ein Ei im Karton ist und auf der gegenüberliegenden Seite einer die Arme hochreisst, weil er sein Puzzle gerschafft hat (geschafft), dann wissen Sie, wie es so ungefähr funktioniert. Es bleiben diese Bruchteile einer Sekunde, die man braucht, aber dann: Ja, klar, super, genial.
Ich finde leider keine Abbildungen (die eventuell rechtefrei sind). Deshalb bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als in der Buchhandlung im Buch zu stöbern. Nehmen Sie sich Zeit dafür.

Dienstag, 29.Mai

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G.K.Chesterton * 1874
Kerstin Hensel * 1961
Dagmar Chidolue * 1944
haben heute Geburtstag
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Hugo Ball
Frühling

So hast du in Behutsamkeit
Mit Lauben und mit Ranken
Den Garten meiner Nacht umsäumt
Jetzt lächeln die Gedanken.

Nun singen mir im Gitterwerk
Die süßen Nachtigallen
Und wo ich immer lauschen mag
Will mir ein Lied einfallen.

Die Sonne strahlt in deinem Blick
Und geht in meinem unter.
So schenkst du mir den schönen Tag
Ein mildes Sternenwunder.

So hast du meinen dunklen Traum
Durchleuchtet aller Enden
Und wo ich immer schreiten mag,
Begegne ich deinen Händen.
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Endlich entdeckt:

978-3-499-25883-1

Wolfgang Herrndorf:In Plüschgewittern
Rowohlt Taschenbuch € 8,99

„Ich kann nicht mit jemandem zusammen sein, hat Erika gesagt, der sich für rein gar nichts interessiert. Dann ist ja alles in Ordnung, habe ich gesagt. Und darauf Erika: Genau das meine ich.“

„Wenn man Desmond in sieben oder acht Stücke hauen würde, könnte man ein paar ordentliche Geisteswissenschaftler aus ihm gewinnen. Aber so ist er praktisch lebensunfähig.“

„Ines versteht alles, was ich sage, und ich verstehe alles, was sie sagt. Das klingt banal, aber das passiert mir nicht oft.“

So beschreibt der Protagonist des Romanes drei seiner Freunde / Freundinnen und diese Zitate geben allein schon einen guten Einblick in die Schreibweise von Wolfgang Herrndorf.
„Plüschgewitter“ erschien schon 2002 im Verlag 2001 und kam ein paar Jahre später in einer überarbeiteten Version bei Rowohlt heraus. August Diehl hat eine vom Autor gekürzte Ausgabe eingelesen. Im Moment sind die CDs jedoch nicht mehr lieferbar.
Bei der Lektüre dieses Romanes wurden mir viele Zusammenhänge zu seinen anderen Büchern bewusst. Gerade Textpassagen aus diesem, seinem ersten Roman, und seinem letzten, nicht fertiggewordenen Roman, „Bilder einer großen Liebe“ sind verblüffend. Obwohl Jahre dazwischen liegen, obwohl seine Krankheit ihm einen Strich durch sein Leben gemacht hat, tauchen ähnliche Textpassagen und gleiche Motive auf.
Herrndorf lässt seinen jungen Mann durch die Republik ziehen. Er verabschiedet eine Freundin auf einer Autobahnraststätte, er wohnt kurzfristig in seinem Elternhaus in Hamburg, das mittlerweile von seinem Bruder und seiner schwangeren Frau bewohnt wird und landet im Berliner Untergrund, zehn Jahre nach Wiedervereinigung. Er erzählt über seine gescheiterten Lieben und Episoden aus seiner Jugend und Kindheit.
Er ist auf der Suche, er wird zum zynischen Beobachter und gleichzeitig zum empathischen Chronisten dieser Zeit in der Hauptstadt.
Er ist ein Verlierer und schlägt helfende Hände aus. Er will seinen Weg alleine gehen, sein wirkliches Ich finden und kommt dabei vom Regen in die Traufe.
Herrndorfs Bücher wirken noch lange nach. So habe ich die Text-Musik-Performance zu „Bilder einer großen Liebe“ von Sandra Hüller und Band schon zehnmal gehört und auch die „Plüschgewitter“ haben sich bei mir festgesetzt und ich merke, wie stark der Roman ist, wenn ich in aktuelle Leseexemplare von bekannten deutschen Autoren hineinlese.

Leseprobe
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Hartmut Bögel radelt zur WM nach Russland und ist mittlerweile in Polen.
Hier seine Blog-Adresse: https://hardy-radelt-2018.tumblr.com/