Heute haben Gottfried August Bürger 1747 Irina Korschunow * 1925 Dieter Noll * 1927 Rolf Haufs * 1935 Nicolas Born * 1937 Samy Wiltschek * 1958 Nicholas Sparks * 1965 Geburtstag
Heute am letzten Tag des Jahres möchte ich mich bei allen LeserInnen des Blogs bedanken. 52.000 mal wurde der Blog mit seinen 316 Einträgen in diesem Jahr angeklickt. Und das aus 76 Ländern der Welt. Da bin ich doch sehr erstaunt.
Ich wünsche Ihnen/Euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr. Bleiben Sie gesund und munter.
Bis auf ein Wiedersehen in 2016, Ihr/Euer Samy Wiltschek
Arno Holz aus:Die Blechschmiede
Hurrah Sylvester! Heut giebts Krapfen und roten Punsch statt grünen Thee! Von allen Dächern hängt in Zapfen gefroren der Dezemberschnee.
Die Großstadt, eine Weltkokette, streut Reif als Puder sich ins Haar – in pelzverbrämter Toilette erwartet sie das neue Jahr.
Schau, in den Straßen, welch ein Treiben! Laternen blitzen durch die Nacht, und hinter gasdurchhellten Scheiben winkt Schehresadens Märchenpracht.
Aus Glas und Stein gebaute Hallen, ein nie erschautes Paradies, bunt vollgepfropft mit Warenballen aus Peking, Kairo und Paris!
Das ist ein Funkeln und ein Blitzen, hier Pfefferkuchen, Marzipan, hier Goldbrokat und Brüssler Spitzen, und dort gar Sèvreporzellan!
Verwehte Südfruchtdüfte fächeln die Leute, die vorübergehn, und gnädig, mit gelauntem Lächeln, bleibt oft der Reichtum davor stehn….
Ein Budoir ists, schwer verhangen mit Goldbrokat und Musselin; wie ein Gewühl von blauen Schlangen, aufzischt das Feuer im Kamin.
Der Teppich träumt in seiner Weise von einem türkischen Bazar, und auf dem Theetisch brodelt leise der silberschwere Samovar.
Bunt deckt die Wand Correggios Leda, und weich umflattert die Kopie ein Duft von Veilchen und Reseda, wie eine Frühlingsphantasie!
In kleinen, himmelblauen Wölkchen umstäubt der modische Parfüm ein marmorweißes Göttervölkchen in mythologischem Kostüm.
Von rosa Zwielicht überflossen, im weißen Nanonnegligee, lehnt dort aufs Sopha hingegossen die junge Gattin des Rouee.
Sieh, die noch jüngst als schöne Lola die goldne Jugend enchantiert, liest nun als Gräfin Emil Zola und fühlt sich fürchterlich chociert.
Der Vorstadt niedrige Baracken ihr wüst Asyl, dem sie entwich, drin teilen in zerlumpten Jacken der Hunger und die Kälte sich.
Und mitten unter all den Schuppen am zugefrorenen Kanal erheben sich zwei düstre Gruppen: das Irrenhaus und das Spital.
Um sie härmt sich in seiner Kammer das Elend, wie um ein Idol – für diese Welt und ihren Jammer ein wahrhaft köstliches Symbol!
Heute haben Theodor Fontane * 1819 Paul Bowles * 1910 Al Purdy * 1918 Douglas Coupland * 1961 Rudyard Kipling * 1865 Lukas Bärfuss * 1971 Geburtstag
Theodor Fontane
Der Schwester zu Silvester
Habe ein heitres, fröhliches Herz Januar, Februar und März, Sei immer mit dabei In April und Mai, Kreische vor Lust In Juni, Juli, August, Habe Verehrer, Freunde und Lober In September und Oktober, Und bleibe meine gute Schwester bis zum Dezember und nächsten Silvester.
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“Einer der originellsten Köpfe der amerikanischen Literatur heute.” (The New Yorker)
Die Erzähler Franzen und Foer sind die größten Bewunderer Lydia Davis‘, sie ist eine der originellsten Köpfe der amerikanischen Literatur. Die Meisterin der kurzen Form nimmt in ihren Erzählungen, die manchmal nur zwei Zeilen lang sind, witzig und ungeheuer klug die Abenteuer des Alltags in den Blick. Egal ob sie von Reisen, Essgewohnheiten oder verflossenen Männern erzählt, mit Davis ist man stets mitten im Leben – heiter, nachdenklich, praktisch und immer mit einem philosophischen Augenzwinkern. Sie ist hier noch relativ unbekannt. Für ihr Gesamtwerk, hat sie 2013 den Man Booker International Prize bekommen. Gleichzeitig arbeitet sie als Übersetzerin und hat u.a. Marcel Prousts Mamutwerk: “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” ins Englische übertragen. Dazu noch Übersetzungen aus dem Spanischen und Französischen. Im Moment macht sie sich an die Texte von Thomas Bernhard. Alle Achtung. Im Österreischischen Droschl Verlag sind bisher vier Bücher von ihr erschienen.
Lydia Davis: „Reise über die stille Seite„ Short Stories Aus dem Amerikanischen von Klaus Hoffer Fischer Taschenbuch €10,99
Bei ihrer Übersetzerarbeit für Marcel Proust braucht sie für die 4.000 Seiten einen langen Atem und Marathonqualitäten. In ihren Erzählungen ist es oft das Gegenteil. Wie eine Sprinterin auf dem Basketballfeld zieht sie kurz an und ist schon am Ende der Geschichte angekommen. Es sind kleine Betrachtungen, die ähnlich wie Schnappschüsse beim Fotografieren mit einer Polaroidkamera, festgehalten werden. Die Szenen sind zu Beginn banal und sehr alltäglich, bekommen aber durch Wendungen am Ende eine explosive Wirkung. Es sind geduldige Beobachtungen von Kühen im Laufe eines Winters vom Küchenfenster eines Landhauses aus, aber auch ein Beschwerdebrief an einen Tiefkühlerbsenproduzenten. Sie schreibt über einen Hund und verwendet Texte von Flaubert und webt daraus etwas Neues. Diese kurze Form verlangt ein hohes Maß an Präzision und eine messerscharfe Auffassungsgabe. Dazu kommt bei Lydia Davis noch eine ordentliche Portion Witz und Humor, der die Beschreibungen unseres, oft nicht erfreulichen Lebens, zu kleinen Feuerwerken werden lässt. Wir bemerken bei ihr das Neurotische eines Woody Allens, aber auch die Art, Beziehungen zu beschreiben, wie wir sie bei Alice Munro lesen können. Ihr Spektrum ist auch in diesen Kürzesformes sehr groß. Und somit weitet sich auch unser Horizont und wir schauen nach der Lektüre der Texte sicherlich anders auf Kleinigkeiten auf der Straße und in den eigenen vier Wänden. Das neuerschienene Taschenbuch enthält Texte aus verschiedenen Büchern von ihr und ein paarnoch nicht übersetzte Texte. ein guter einstieg in das Werk von Lydia Davis. Mehr von ihr finden Sie im Österreichischen Droschl Verlag, der ihr seit Jhren die Stange hält.
Kontingenz (versus Notwendigkeit)
Es könnte unser Hund sein. Aver ist nicht unser Hund. Also bellt er uns an.
“Sie ist ganz sicher eine Meisterin der Komposition. Sie mischt lange und kurze Stücke mit einer berauschenden Wirkung, wie ein Koch, der eine Speisenabfolge von grenzenloser Geschmacksvielfalt verabreicht.” (The New York Times)
“Mit der Intensität und Klarheit ihrer Aufmerksamkeit verwandelt Lydia Davis triviale Probleme und transformiert sie zu fundamentalen Macken in der Ordnung der Welt.” (Times Literary Supplement)
“Einige Schriftsteller besitzen die unheimliche Fähigkeit, deine Erfahrungen zu kippen. Lies genug Lydia Davis und ihre Stories beginnen dir zu widerfahren.” (The New York Times Book Review)
Das Hundehaar
Der Hund ist weg. Er fehlt uns. Wenn die Türglocke läutet, bellt keiner. Wenn wir spät nach Hause kommen, erwartet uns keiner. Wir finden im Haus und an unseren Kleidern immer noch hier und da seine weißen Haare. Wir zupfen sie ab. Wir sollten sie wegwerfen. Aber sie sind alles, was uns von ihm geblieben ist. Wir werfen sie nicht weg. Wir haben eine unsinnige Hoffnung – wenn wir bloß ausreichend von ihnen aufsammeln, können wir den Hund wieder zusammensetzen.
Zirkuläre Geschichte
In den frühen Morgenstunden des Mittwoch gibt es draußen auf der Straße immer ein Spektakel. Ich wache davon auf und frage mich jedes Mal, was los ist. Es ist immer der Müllwagen,der den Müll abholt. Der Wagen kommt jeden Mittwoch in den frühen Morgenstunden. Immer weckt er mich auf. Immer frage ich mich, was es ist.
(Alle Textrechte sind beim Droschl Verlag)
Lydia Davis ist vor allem für ihre Kurzgeschichten bekannt, aber auch als Übersetzerin von Marcel Proust und Gustave Flaubert, wofür sie mit dem Orden des »Chevalier des Arts et Lettres« ausgezeichnet wurde. Sie lehrt Kreatives Schreiben an der University von Albany. 2013 erhielt Davis den Man Booker International Prize.
Wenn Sie Zeit haben, schauen Sie sich beiden Videos von und mit Lydia Davis an. Im ersten gibt sie Tipps an junge Autoren, im zweiten liest sie einen sehr witzigen, ungewohnten Text von sich vor, der dauernd erweitert wird. Sie merken dann schon, warum.
Heute haben William Gaddis * 1992 Jo Pestum * 1936 Christian Kracht * 1966 Geburtstag. Brigitte Kronauer wird 75 Jahre alt und es ist der Todestag von Rilke.
Rainer Maria Rilke
Der Tod der Geliebten
Er wußte nur vom Tod, was alle wissen: daß er uns nimmt und in das Stumme stößt. Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen, nein, leis aus seinen Augen ausgelöst, hinüberglitt zu unbekannten Schatten, und als er fühlte, daß sie drüben nun wie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten und ihre Weise wohlzutun: Da wurde ihm die Toten so bekannt, als wäre er durch sie mit einem jeden ganz nah verwandt; er ließ die andern reden und glaube nicht und nannte jenes Land das gutgelegene, das immersüße – und tastete es ab für ihre Füße. ____________________
Jörg Mühle hat mit diesem kleinen Bilderbuch einige Dinge unter einen Hut gebracht. Das Ritual des Insbettgehens, ein Mitmachbuch, ein Bilder- und Vorlesebuch.
Das kleine Hasenkind sollte ins Bett, die Zähne sind geputzt, der Schlafanzug liegt bereit. Und wenn wir jetzt in die Hände klatschen und die Seite umdrehen, zack, hat ihn das Hasenkind schon an. Nun gilt es noch das Kissen richtig aufzuschütteln und das gähnende Hasenkind mit dem Zauberspruch „Simsalabim“ daraufzulegen. Noch mal kurz die (großen) Ohren kraulen und ganz fein den Rücken streicheln und dann die Bettdecke über Hasenkind zuziehen. DieSeite umdrehen und schon ist es zugedeckt. Ein Gutenacht-Kuss und den Lichtschalter drücken. Dunkel ist es und Hasenkind schläft sicherlich sofort ein. (Dies schreibe ich frühmorgens, während oben schon das Enkelkind kräht) Das Besondere an diesem Buch ist u.a., dass die Interaktivität nicht durch Tastendruck ausgelöst wird und wir dann beschallt werden, oder Filmchen ablaufen. Nein, wir machen das einfach selbst. Kraulen und streicheln vielleicht auch gar nicht im Buch, sondern das kleine Menschenkind, dem wir diese Geschichte vorlesen. Der Lichtschalter am Ende ist natürlich großartig. Ein Schalter, der nur gemalt ist, aber wirklich funktioniert, wie das letzte Bild ja zeigt. „Gut gemacht, danke schön“ heißt es einmal in diesem Buch.
Ein größeres Lob kann es dafür gar nicht geben.
Wer noch nicht genug von Hasenkind hat, im Frühjahr erscheint „Badetag für Hasenkind„. Ich freue mich jetzt schon darauf.