Donnerstag

Heute haben Ernst Kreuder (*1903) und Michael Jackson (* 1958) Geburtstag.
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Gestern schrieb ich sehr begeistert über ein besonderes Buch aus Frankreich und vormittags packte ich dann Bücher aus dem Verlag Reprodukt aus. Früher hätte man gesagt, dass der Verlag Comics macht, heute heisst das dann meist Graphic Novels. Sei’s drum. Früher mussten wir uns heimlich Mickey Mouse kaufen und heute gehören die Bilderromane zum guten Ton.
Und so ging es mir dann schon wieder, dass ich ganz begeistert war von den Neuheiten, die aus der Bücherkiste kam. So stelle ich heute eines der Bücher vor und morgen gleich das zweite.

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Paco Roca: „Kopf in den Wolken
Reprodukt Verlag € 18,00

Allein schon die ersten Seiten haben mich gepackt. Paco Roca hat mich komplett hereingelegt, so dass ich dachte, was ist denn hier in dieser Bankfiliale los? Was ist denn mit dem Bankdirektor los?

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Aber kaum habe ich umgeblättert, löst sich Fall sehr schnell. Und genau mit diesem Mittel arbeitet der Autor und Zeichner. Er führt uns immer wieder hinters Licht und zeigt somit gleichzeitig auf, was in den Köpfen der Menschen vorgeht, die er hier beschreiben will.

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Es geht in dieser Graphic Novel um Menschen, die vergesslich, die dement werden, bei denen Alzheimer diagnostiziert wird. Unsere Hauptperson Emilio wird von seinen Kindern in ein Heim eingewiesen, da sie beide berufstätig sind und sich nicht professionell um ihn kümmern können.

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Was dann kommt, ist das Wandeln zwischen den Zeiten, den Welten.
Emilio ist auch so einer, dem seine Erinnerungen immer mehr zur Wirklichkeit werden. Und so auch hier. Diese Situation der Einweisung in dieses Heimt, wirft ihn zurück in seine eigene Vergangneheit.

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Die nächsten Seiten zeigen den ersten Eindruck seiner Mitbewohner. Da ist Miguel, mit dem er ein Zimmer teilt und der sich mit Kleinkriminalität und Schlitzohrigkeit seinen Alltag verschönt. (Weiss er eigentlich, was er da tut?). Es gibt Juan, der nur noch wiederholt, was er gerade hört. Es gibt eine alte Dame, die am Fenster sitzt und meint, sie fährt mit dem Orient Express nach Istanbul. Ein Ehepaar, bei dem sie sich rührend um ihn kümmert, der sich kaum noch äußern kann. Wir haben ein bunte Gruppe von alten Menschen und schauen in ihren mehr als tristen Alltag. Es gibt Seiten, auf denen wir sie auf Stühlen sitzend sehen und wie am oberen Bildrand die Uhr abläuft.
Aber, und das ist das Schöne an dem Buch, Paco Roca erzählt mit großem Witz und Empathie. Er erzählt vom Bingonachmittag und die Mitspieler sich ein, zwei Seiten darüber unterhalten, was denn nun für ne Zahl dran war. Auch das mehrfache Wiederholen der 20 nützt nichts. Wieder fragt jemand nach. Das erinnert an die lustigen Szenen aus dem Kuckucksnest-Film. Auch die Fluchtszene aus dem Buch. Das Schlitzohr Miguel besorgt ein Cabrio und zu dritt wagen sie die Reise in eine neue Welt ohne Zäune und Zwänge. Dass dies nicht gut ausgehen kann, liegt auf der Hand.
„Der Kopf in den Wolken“ erzählt liebenswert über alte Menschen, über die vielen Personen in den Altersheimen und über das Vergessen in deren Köpfen. In diesem Heim gibt es einen zweiten Stock, in den sich nicht einmal Miguel traut, da dort die sind, die sich an gar nichts mehr erinnern können. Dass Emilio genau dort landen wird, erahnen wir schon, aber dass er von Miguel, der ihm allerlei seiner Habseligkeiten abgegaunert hat, umsorgt wird, zeigt die Warmherzigkeit des Buches. Durch die Karft der Bilder werden wir als Leser in eine zweite Dimenson geführt. Nicht nur durch Worte erfahren wir vom Verschwinden der Wirklichkeit. Rocas Bilder zeigen uns Gesichter mit verschwommenen Konturen, oder nur noch mit Rändern ohne Inhalt. Er zeigt uns Emilios Hemd ohne Knöpfe, so dass er es nicht mehr zumachen kann. dazu braucht es keine Worte. Ein Bild genügt und wir wissen um den Zustand Emilios.
Großes Lob für dieses Buch, das ich für jedes Alter empfehle. Warum sollen Kinder und Jugendliche nicht auch diese Gesichte anschauen und lesen, wo viele von uns doch auch eine vergessliche Oma, oder einen Opa im Heim haben.

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